Remember Tomorrow — Die Aktualität des Internets

Kam dir schon einmal der Gedanke in den Sinn, was nach dem Internet sein wird? Bald werden Zeitzeugen gesucht – für eine Zeit vor dem Internet. Eine kleine Kapriole.

Die Verantwortung des Internets (digitaler Zeichenverkehr) liegt in den Händen des „Bundesministeriums für Verkehr und digitalen Infrastruktur“ (- gegenwärtig unter der Obhut von Alexander Dobrindt). Nicht etwa in denen des „Bundesministeriums für Arbeit und Soziales“, ebenso wenig in solchen des „Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“. Das Produkt des Internets ist nämlich zunächst sein Zugang und könnte synonym mit „Kanal“ geltend gemacht werden. Diese Sachlage geht allen voran. „Gatekeeper“ statt „Googleseeker“. Man stelle sich einmal vor, die Limitation der Datenrate entspräche eine des Wassers. Zwanzig Liter stünden den Bürgern täglich zur Verfügung, es sei denn sie bezahlten mehr! Rückführend zum Internet – das ist die Sachlage. Die Profitebene entsteht zunächst durch die Kontrolle des Zugangs. „Online“ heißt übersetzt „an der Leine“.

Deichkind trällern „Like mich am Arsch“ und treffen mit ihrem Lied in aller Fabulierkunst die Marotten, die der soziale Riese Facebook mit sich bringt. Nur kräht kein Hahn mehr danach. Denn das Buch der Bücher haben wir uns unlängst einverleibt. Das Internet vergisst nie, aber wer waren diese „Piraten“ noch einmal? Der Medienwissenschaftler Friedrich Kittler verfasste 1986(!) einen Artikel für die TAZ. Dieser trägt den Titel: „No Such Agency“. Beinahe dreißig Jahre ist es her, dass Herr Kittler schon ein Gespür für die Machenschaften der NSA hatte: „Daß die Medienwunschströme fließen tarnt eine Lage, in der Informationstechnik Strategie ist.“ „Das Leistungsschutzrecht“ macht bei Internetsurfern nicht mehr die große Welle.

Computerspiele wurden Kulturgut und werden vom „Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend“ gefördert. Für Lehrer der „alten Schule“ ein Kulturinfarkt. Der Psychologe Manfred Spitzer befürchtet sogar eine „digitale Demenz“ in der Gesellschaft, ständig das Smartphone tragend. Gamer hingegen genießen im Traumleben ihren Lebenstraum.

In dem „Foresight“-Bericht des „Bundesministeriums für Bildung und Forschung“ (BMBF), vorausschauend in das Jahr 2030, wird über Bestattungs- und Andachtsmaßnahmen für Hinterbliebene spekuliert. Ich vergaß in vorigen Zeilen zu erwähnen, dass solche Maßnahmen für soziale Medien ergriffen werden müssen. „Wann gibt es mehr Tote als Lebende bei Facebook?“ las ich einst in einem Buch. Auf dem Markt braucht es gegenwärtig „Content Manager“ um allen Kommentaren entgegenzuwirken, zwischen Konsument und Unternehmen. Naja, all jenen, deren Posts nicht weiter als eine Stunde zurückliegen. Warum auch nicht? Soziale Plattformen sind eine Offenbarung für alle „Digiteller“. Deine Tastaturen sind die Schreibgewehre im Wortgefecht. Zöger nicht auch diesen Text zu kommentieren. Vor meinem Bildschirm habe ich ein größeres Selbstbewusstsein oder lösche deinen Kommentar einfach, wenn er mich zu sehr diffamiert.

Einen guten Ruf gilt es nämlich aufzubauen oder zu wahren. „Online Reputation Management“ heißt die digitale weiße Weste im Netz. Die Selbstverwirklichung im Dorado Digitaliens birgt eine immense Vielfalt, aber auch die Erkenntnis seine eigene Nichtigkeit zu erfahren. Kümmer dich besser um viele „Likes“, „Rates“ oder „Follower“, bevor dein zukünftiger Arbeitgeber Sie nicht „googeln“ kann. Meinem „Avatar“ wird mehr Authentizität zuteil, als meiner wirklichen Erscheinung.

Vor lauter Online-Petitionen sehe ich den Sinn jener nicht mehr. Sind diese „Unterschriften“ überhaupt rechtskräftig? Sind „Flashmobs“ ein alter Hut oder schlagen sie noch ein wie der Blitz? Auch, wenn wir Joseph Kony nie gefunden haben, es hatte sich gut angefühlt die Welt „mit dem Finger“ (= digital) retten zu wollen. Schließlich ging es um „Awareness“. Ein anderer Begriff geht den Protestlern voran: „Convenience“. „Das Internet“ als Synonym für einen Grundbegriff der Demokratie – ohne Regulative, versteht sich. Was wir uns vom Internet erhofften war ein Pop-up-Fenster, das wir binnen kurzem als „Spam“ markiert haben. Die Tränen Sascha Lobos versiegen. Nun ist das Internet für uns alle Neuland.


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