Literaturrezension: “vom turm” von Günter Abramowski
Günter Abramowskis Gedichtband Vom Turm ist eine Achterbahn der Gefühle.
Des Lesers. Des Kritikers. Und allen voran wohl des Dichters selbst.
Man möchte manchmal schreien, wenn man die Zeilen des Abramowskis liest, wohl ist er auch deswegen im kleinen und sehr unbekannten elbaol verlag hamburg veröffentlicht worden, denn die ein oder andere tiefere Beschäftigung mit der Materie hätte ihm sicher gut getan.
Schwierig zu lesen waren da jene Zeilen, in denen urplötzlich Anglizismen auftauchen, wie etwa jene: „so gibt mir / step by step / beton der treppenstufen.“
Auch Satzzeichen möchte Abramowski völlig neu für sich erfinden, er weigert sich regelrecht das Wörtchen „und“ zu benutzen, nein er setzt konsequent das Et-Zeichen (&). Das mag im ersten Augenblick keiner lyrischen Sünde gleichkommen, aber mich hat es beim Lesen gestört, da sich mir dahinter kein Sinn erschließen ließ. Auch das konsequente Kleinschreiben von Substantiven empfinde ich – ich weiß, ungerechterweise – als Entschuldigung sich nicht mit den gängigen Grammatikregeln auseinandersetzen zu müssen.
Aber weiter, persönlich habe ich ein neues Phänomen in diesem Gedichtband entdecken können: es ist das Phänomen des letzten Satzes. Denn sehr wohl finden wir hier – die Fallhöhe werde ich später noch mal verdeutlichen – Schmuckstücke zeitgenössischer Lyrik, die ich durchaus mit größeren Dichtern in eine Reihe stellen könnte. Da schlage ich das Buch auf, und gleich das erste Gedicht, Hoffnungsträger, eröffnet mir Bilder aus einer früheren Zeit:
„der spaziergang am ufer / war das ritual / der sonntage meiner kindheit / vater führte mutter & mich / auf asphaltiertem wege / streute die asche der zigarre / beim dirigieren des monologs / bis der stummel gefallen“.
Unangestrengt und ohne Lesebruch kann der Leser hier den Gedanken des lyrischen Ichs folgen und es gibt noch mehrere solcher grandiosen Beispiele in diesem Gedichtband, das gerade wegen dieses professionell wirkenden Stils finanziell erworben werden kann. Hier wird eine Dramatik an die Turmspitze getrieben, die ich von einem Gedichtband dieser Art nicht erwartet hätte. Daher gilt es hier ein Lob auszusprechen. Aber zurück zum Dilemma des letzten Satzs. Ein Gedicht wird bei Abramowski gelungen anfangen, mag den Leser durch einen Wald warmer Zeilen führen, um aber dann doch im letzten Satz zum Fehlschlag einzuleiten: „die grenze / dort wächst stille / bringendem licht / dämmerung lacht / der sorge / die sehend macht.“ Sorge, die sehend macht, so, so.
Anglizismen zerstören leider seine Bilder, einige kleinere Gedichte hätte er sich in der Selektion für den Gedichtband durchaus sparen können, sind sind nichtig und prätentiös. (fehlt freude / schöner götterfunken / greift fun) und viel mehr dazu übergehen können, was er wirklich gekonnt beherrscht: es sind in diesem Gedichtband gerade die längeren Stücke, die den Leser in den Bann ziehen. Die einen Tiefgang hervor blitzen lassen, die – das bemerkt das geübte Auge – nicht von einem Anfänger stammen. Gern habe ich eben jene Gedichte gelesen, die eine Geschichte erzählen, die sich langsam aufbauen, und dem Leser einiges an Interpretation abverlangen, in denen das lyrische Ich bei sich selbst bleibt. In der Länge wird Abramowski gut, in der Kürze verliert er sich in Fehlkompositionen.
Dennoch bleibe ich bei der Meinung, dass der Dichter sich mehr der Sinnhaftigkeit der Zeilen hätte hingeben müssen, den von sauberem Klang alleine hat noch kein Dichter gelebt. Subtile Reimschemen runden das Bild ab, und wer aus einem Verlag, der leicht unprofessionell in Grafik und Typographie anmutet, keinen absoluten Fehlgriff lesen will, dem sei mit diesem Band geholfen.