Keine Angst vor Amazon! Die Frankfurter Buchmesse ist eröffnet
Was sind schon Weihnachten, Jahrestage und Urlaub zusammen? Das wichtigste Ereignis des Jahres, die Frankfurter Buchmesse, hat seine Pforten heute für uns geöffnet. In ihrem 66. Jahr werden auf der Buchmesse 300.000 Besucher erwartet — etwa 7000 Aussteller aus 100 Ländern warten auf den Andrang.
„Wir haben keine Angst vor Amazon“, sagt Heinrich Riethmüller, Vorsteher des Börsenvereins des deutschen Buchhandels. „Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht.“
Und man möchte ihm gerne glauben, dem Mann in Anzug und mit graumeliertem Haar, denn wenn sein Statement klingen sollte wie eine Kampfansage, dann kommt sie doch eher daher wie das verzweifelte Gesuch einer gedemütigten Ex-Frau.
Amazon habe mit prekären Arbeitsverhältnissen und Erpressungsversuchen von sich reden gemacht, und der Leser setze neuerdings auf Nachhaltigkeit. In den eigenen Reihen sei man jedenfalls aufgeschlossen für den digitalen Wandel und man wolle den Kunden da abholen, „wo er ist“. Für einen Moment bleibt schwer zu erkennen, ob von einem lesehungrigen Online-Affinen die Rede ist oder einem Veganer.
Jürgen Boos, Direktor der Frankfurter Buchmesse, führt eine epische Rede mit sich selbst, in der er charismatisch davon schwärmt, dass das Netzwerk des Publishing vor allen Dingen dazu da sei, kulturelle Vielfalt zu fördern und geistige Enge mit geistiger Mobilität zu kontern. Pirincci und Sarazzin – beides Bestseller in den deutschen Sachbuch-Charts – lassen hierzulande nur schwer daran glauben. Aber darum soll es heute ja auch gar nicht gehen.
Die Frankfurter Buchmesse sei eine Welthauptstadt der Ideen, und ein großer „Jahrmarkt der Eitelkeiten”, sagt Boos. Besonders die Kernidee der europäischen Idee stärke den deutschen Buchhandel und treibe ihn an. Europa suche seinen gemeinsamen Narrativ, die EU sei nicht interessiert an dem „Produkt Buch“, sondern den kulturellen Austausch, der darin zu finden sei.
Darauf weißt auch Michael Magnier hin, Direktor der Direktion Kultur und Kreativität der EU, der weiß, dass die Buchmesse in Frankfurt momentan der „place to be“ sei. Immer wieder erinnert er an die Vergabe des europäischen Literaturpreises am Buchmessen-Mittwoch, (Wyme wird berichten) und erzählt vom „Creative Europe”-Programm, das mehrere Millionen Euro in Übersetzungen investiert habe. Zu etwaigen Freihandelsabkommen will und darf er nichts sagen: Sie alle hier arbeiten im Zeichen des Buches. Motor der kulturellen Vielfalt, liebevoller Partner in Zeiten der ISIS und Flüchtlingsskandalen.
So schön diese Zeilen auch klingen mögen, wir können nur hoffen, dass es der EU ein Anliegen bleibt, in Kultur und Literatur zu investieren, und dass das selbstbewusste Auftreten des deutschen Buchhandels gegenüber dem bösen Onkel Amazon nicht nur eine Farce ist, die im nächsten Jahr aufs Neue aufgeführt wird.
Alles in allem stehe dieses Jahr sowieso der Autor mehr im Fokus, so Boos, es gehe als Beispiel darum etwaige „Creative Writing“-Lehrprogramme in Schulen einzuführen. „Was muss der Autor der Zukunft können?“, scheint hier die Leitfrage. Was der Verlag der Zukunft dem Autor bieten muss, ist zweitrangig.
Die Zusammenarbeit mit Finnland, dem Ehrengast der Buchmesse 2014, sei „cool“ verlaufen und da erzählt Boos plötzlich von Saunagängen und Urlauben in Helsinki – es ist eine harmonische Familie, die sich hier zusammengefunden hat. Wie sie das schwarze Schaf Amazon von den Festivitäten verbannen will, das bleibt im Laufe der Buchmesse abzuwarten.
Facts:
08.10-10.10.2014 nur für Fachpublikum,
11.10-12.10.2014 öffentlich zugänglich.
http://www.buchmesse.de