Geschichten aus der Unvernunft: The Hell that is Instagram
Vor ein paar Tagen habe ich mir einen Instagram Account gemacht. Mir wurde so vieles klar. Und ich dachte immer, es sei schon pervers, sich im Bus hinter jemanden zu setzen, nur um deren Duft zu atmen. Nun aber, ja, nun aber…
So viel Schönheit inmitten von versiert erarbeitenden Gerichten. Bikini-Girls und Fit Guys, denen ich nun folgen kann, die mich betören, mir jugendliche Unsicherheit einflößen wollen. Es ist ein Spiegelkabinett, das mit Millionen Fingern auf mich zeigt. Ich fühlte sie auf mir haften wie das Harz des Yggdrasil.
So, genug herumgedruckst.
Instagram ist ein monströses, zwar fett geädertes aber gestört fettarmes Mosaik einer Generation, die in ihrer Ganzheit einen Narzissmus verkörpert, dessen noch nicht einmal Dorian Gray oder Patrick Bateman schuldig werden könnte. Die hatten immerhin noch ihre Probleme mit Drogen und Mord, und waren gefangen in einer Hassliebe zu einer für sie hässlichen Welt. Im Moment erscheinen sie mir wahrer als die Menschen da draußen.
Doch wo im Mosaik noch jeder Stein den Nächsten ergänzt, um etwas Größeres zu werden, da verhält es sich jetzt andersrum: Jeder von den hübschen und glatten Steinchen will aus dem Ganzen heraus, sein eigenes verschissenes hellleuchtendes Universum werden, während alle anderen kleinen und glatten Steinchen ihm dabei helfen sollen. Et voilà! Es entsteht ein Gruselkabinett aus allen Facetten der ersten Todsünde Superbia. Eine Einheit von Code-Leichen, die im Kontext vollkommen individuell etwas aussagen wollen. Doch überall nur geistige Leerstellen. Ich sag euch, wer nur in Vokabeln spricht, den versteht man nicht #sinnfrei. #immerhin# ein# Kompositum.
Ich sehe eine Armee von postmodern verdummten Spartiaten in bunten Sneakern und Tank-tops, die ihre strikten kohlenhydratarmen Diäten Parade tragen.
Ganz so doof sind diese ganzen Fitness-Gurus aber nicht – ja, sie sind so schlau wie unsere Vorfahren. Es ist ein apfelbaumhöher Unterschied, ob man einen Stein heben kann, oder versteht warum dieser wieder zu Boden geht. Ne Horde von Neandertalern da draußen, alle vereint unter dem Banner der Selbstverherrlichung und der Auffassung, dass das Leben so richtig geil ist. Überall pralle Titten, Sixpacks, knackige Ärsche, Protein-Pancakes, Hafer-irgendwas und noch so anderes Zeug wie Fashion. Viel Fashion. Dann alles durch den Wolf gedreht und raus kommt: Scheiße. Richtig. Ein Riesenhaufen montierte Scheiße.
Die absolute Objektivierung und Verneinung einer ganzen Spezies. Der Mensch entwickelte sein Hirn, um überleben zu können, nun reißt er das Ruder rum, und schenkt alle Beachtung seinem Körper. Dabei war Nerd sein doch so hoch im Kurs! Super Mario zocken im Vintage Star Wars Shirt mit meinem Gamer-Girlfriend hihihi totally Retro… alles Schrott.
Nun wird einer bestimmt einwenden, dass voll viele von den Instagram-Lemmingen tatsächlich auch studieren, und lernen, und Bücher lesen, und bla bla bla… klar, machen die, und zwar im perpetuierenden System ihrer eigenen Oberflächlichkeit. Wissenschaftler, die in einen See schauen und im Anblick ihrer eigenen Fressen kleben bleiben. Ich kann nicht mehr.
Das kommt dabei heraus, wenn man keine natürlichen Feinde mehr hat.
Nun folge meinem Körper und meinem zum Kotzen dämlichen Schnutengesicht, und teil mich unter den Anderen! Ein Jeder den Hauch von Grenouilles Parfüm verströmen wollend, ist es digital fetischisierter Ästhetik-Kannibalismus – verzehre meine Schönheit!
Unter einem Bild von irgendeiner Tussi auf Instagram las ich dann: „Never go back to what broke you.“
Ehrlich? Fuck you. Steht die Alte da am Pool im Bikini, glotzt in die Sonne, nicht in die Kamera, denn hier ist GARNICHTS inszeniert, und setzt so einen Spasti-Spruch, den sie bestimmt von irgendeinem anderen gefühlsentkoppelten Instagram-Lauch hat, unter ihr Spasti-Bild. Halbe Menschen.
Da fällt mir ein Satz Ciorans ein: „Man möchte zuweilen Kannibale sein, nicht um den oder jenen aufzufressen, sondern um ihn auszukotzen.“ Ach, Emil, du bringst mich immer wieder zum Lächeln. Das Buch aus dem das Zitat stammt, heißt übrigens Vom Nachteil, geboren zu sein. Da habt ihr mal was zum Nachdenken, ihr Lebensfreudigen.
Never go back to what broke you. Als ob man seinem Schatten davon laufen könnte. Man sollte sich eher ein Schild an den Rücken hängen: „Vorsicht! Schwere Last!“
Versteht doch: Ein gefällter Baum wird durch die Axt erklärt, ein in den Baum geschlagener Nagel immer einen Hammer assoziieren.
Und so erfahren wir nun eine Stille, die man in den Gesichtern der Leute erkennen kann, die ihre eigenen Schreie als peinlich empfinden, während uns die Welt draußen um die angelegten Ohren fliegt. Und der eigene Spiegel vermag einen nicht mehr zu erkennen, denn gerade ihm lügt man noch am heftigsten ins Gesicht #perfectselfie. Ganz ehrlich, wer an einem Tag, an dem die zerfetzten Körper von jungen Menschen in der Türkei durch die Sonne fliegen, auch nur EIN gottverlassenes Happy-Selfie machen kann, der rangiert irgendwo zwischen Sozio- und Psychopathie. Und da jeden Tag irgendwo Körperteile durch die Luft brennen, sollten wir uns vielleicht überlegen, ob wir es nicht einfach sein lassen mit der Selbstglorifizierung, dieser penetranten Selbstüberschätzung, diesem selbst, selbst, selbst. Es kotzt mich schon an dieses Wort so oft schreiben zu müssen, doch anders kann das nicht mehr beschrieben werden.
Ich glaube, die Welt scheint echt in Ordnung, solange man noch einen proteinbasierten Diätplan hat. Die Höhe aller Gefühle ist dann der Cheat-Day mit Pizza und Cookies und hihihi voll crazy von mir.
Fuck you.
Ich folge lieber Leopardis Rat: „Live, and be great and unhappy.”
Ludwig