Generation Y—Reich an Scheiss, arm an Gut
Viel wurde schon gesprochen über die Generation Y, unserer von Bret Easton Ellis benannten Generation von Weicheiern, von Landstreichern, Müßiggängern, im Allgemeinen ein von Gefühlsduselei durchzogenes Dasein des Suchenden, des Nie-Gehabten, des Wollen-Müssens – die Generation, der alle Türen zur Welt offen stehen und für keine dieser Türen den passenden Schlüssel findet. Und diesen trotz aller Bildung, Studium, Praktika und Auslandsaufenthalten auch nicht mit auf den Weg bekommen hat.
Was ist passiert? Warum fühlen wir uns, obgleich der Mehrzahl unserer Möglichkeiten, so zerschlagen, niedergeschlagen, so verwirrt und dem Sinn unserer Existenz die Zeche prellend, ankerlos, bei weitem aber nicht ankerfrei, umherstolpernd? Woher rührt unsere Zerstreutheit, der wir uns bewusst sind, aber bei allem Glauben an glauben-gemachtem Optimismus – ja, keiner darf heute noch Pessimist sein – nicht bewusst sein dürfen?
Der abstrakte Begriff der Generation Y ist ein faules herunterzählen von Buchstaben, um einem Gemeingefühl einen Nenner zu verpassen, der mit dem Titel “Generation Konsum” schon treffender und aufschlussreicher beschrieben werden würde. Zum Trotz unserer anerzogenen Eitelkeit der eigenen Persönlichkeit, müssen wir zugeben, dass der Zweck unseres Lebens der des Konsumierens ist. Hier versteckt sich kein juveniler Fight-Club-Nihilismus, sondern der rote Faden der westlichen Welt, die nun mal auf nichts Weiteres ausgelegt ist, als dass wir Geld verdienen und dieses dann wieder ausgeben. Zugespitzt ausgedrückt sind wir lediglich die Vehikel der kleinen Münze. Daraus ist die Unruhe unserer Generation geboren und wird das oben Gesagte zugegeben, dann ist auch zu erkennen, warum wir uns so flüchtig und umhersuchend sinnentleert erleben – denn die Welt, die wir wahrnehmen, verlangt es so.
Doch warum biedern wir uns an, anstatt dieses Krebsgeschwür zu unterbinden, das uns nur als eine weitere Zelle in der Ermordung unseres Selbst sieht? – Weil wir nicht dazu fähig sind. Wir wurden eingelullt, sind Schläfrige im wachen Auge des Tornados. Solange der allgegenwärtig drohende Wind uns nicht ins Elend zieht, so lange werden wir die scheinbare Stille furchtsam akzeptieren, und zur Ablenkung halt Monopoly spielen. Besser also im Auge mitlaufen, als dem Wind zu trotzen, so dass wir nicht fort ins Nichts gerissen werden. Ein jeder trägt dazu bei, und wenn die Person neben uns nicht stehen bleibt, dann werden wir es auch nicht. Das Gefangenendilemma ist uns ein zentrales Handlungsmotiv. Dem Strom ist es dazu ziemlich egal, ob du gegen ihn schwimmst. So marschieren wir weiter als Unmündige im Globalisierungskleber und betäubt zufrieden gestellt sind wir auch.
Wir sind ins Leben gestellt, sind gezwungen uns zu vermarkten, als seien wir weniger Mensch als Produkte, Geräte und Mittel zu einem Zweck, der uns wie die Karotte vor die Nase gesetzt und unseren Augen doch verschleiert ist, so dass wir nicht zu erkennen vermögen, wofür wir uns eigentlich dermaßen schinden. Wir müssen die bittere Pille schlucken und mit lächelnder Zustimmung akzeptieren, dass wir austauschbar sind, uns zur Schulter gleich der nächste Verlorene steht, der das unbezahlte Praktikum annehmen wird, wenn wir es nicht tun. Brüder und Schwestern also, die sich um die Gunst des Oberhaupts bekriegen müssen. Dankbar sollen wir dafür sein, denn diese Attitüde des Arbeitsmarkts formt uns angeblich zu etwas Besserem und Stärkerem – „Ein Messer wetzt das Andere und ein Mann den Anderen“ (Sprüche 27:17). Doch letztlich schlagen wir uns gegenseitig halbtot in der Hetzjagd unserer Lebenslaufoptimierung. Und wofür?
Im Akkord peitschen wir uns gen Wochenende und endlich in die Bars, wo wir uns zunichte trinken und uns für ein paar Stunden sarkastisch auf die Schultern klopfen, eine weitere Woche hinter uns gebracht zu haben. Eine weitere Woche hin zu unserem Tode? Aber was denken wir, wir klingen doch nur undankbar. Am besten trinkt es sich schon unter der Woche, und die darauffolgende ergibt sich dann wie die Letzte und Vorletzte, bis hin zur Allerletzten. Die ungreifbare existenzielle Angst verbindet uns, während wir bunt und laut dem Morgengrauen entgegenfeiern, und uns einreden, dass wir keine Zeit hätten. Zeit wofür? Und nun am besten noch mit siebzehn aus der Schule raus…
Doch dürfen wir uns überhaupt beschweren, wenn wir dieses Leben vollziehen, es am Leben behalten? Sind wir es nicht, die obgleich aller gerissenen Nervenstrenge, die Situation, in der wir uns befinden, noch abfeiern und schönreden? Es könnte ja auch immer schlimmer kommen. Wir sind diejenigen die Glück gehabt haben, sind gleichzeitig aber nur eine Panikattacke von kompletter Resignation entfernt.
Wir behalten bei wie es ist und unterstützen, was wir ohnmächtig ablehnen. Darüber hinaus ist ein Kritiker dieses Wahnsinns schon als unmodern, stehen- und hängengeblieben angesehen, ein Zyniker in der hohen und alles mit sich reißenden Welle. Du sollst dich nicht mehr deiner Fähigkeiten bedienen, um mit dem Finger auf die Wunde zu zeigen, denn für uns ist es keine. Im Gegenteil, wir bluten mit Vergnügen, mit Lifestyle und Fun. Tatsächlich sind wir der Verfremdung unseres Seins schon so auf den Leim gegangen, dass wir uns nicht mehr beschweren können.
Wir reden viel und schön von Individualismus, ziehen diesem aber selbst an jedem Tag den Teppich unter den Füßen weg, wenn wir mit all denselben Klamotten, denselben Utensilien, denselben Gewohnheiten, jeder Trendwelle hinterherhetzen. Schauspieler, Models und Prominente sollen unsere Vorbilder sein und wir gehen in schäbige Fabrikgebäude, um zu rennen, damit auch wir schlank und schön sind, ein Ideal erfüllen, das uns gebietet auch nackt noch nach der Norm zu bestehen, die uns von der Hochglanzindustrie diktiert wird.
Die Mode macht den Menschen! – Kleider machen Leute, Leute machen Kleider, Kleider machen mich, Leute schaffen mich. Alles ist Must-have, nur wir halt nicht. Wir sind das fleischgewordene schwedische Möbelstück, und unsere Entbehrlichkeit ist die Repressalie, die uns im Nacken sitzt. Wir sind nicht mehr, vielmehr haben wir zu sein. Wir sind entwurzelte Phantome.
Doch ganz so verhält es sich nicht. Wir lehnen uns doch auf, zeigen Begehren zum Widerstand. Sachte wüten wir im Kämmerlein und schmeißen mit hundertvierzig Zeichen und publikgemachten Fotoalben unser Privatleben weg, während wir uns über globale Überwachung beschweren. Diese winken wir jedoch gemütlich durch, laden sie geradezu ein teilzuhaben an unserem bisschen Dasein. Dazu ist uns die Fleischindustrie ein Dorn im Auge, könnten aber auch Bacon und der nächsten Grillsaison Denkmäler bauen. Und falls Gott uns nicht erschaffen hat, so wurde einer kreiert, der uns erschafft, nicht in seinem Bilde, aber nach seinen Vorstellungen. Und wir gehen weiterhin in seine Kirchen.
Die Sicht der Dinge wurde uns dermaßen scharf gestellt, dass sie letztlich im Tunnelblick endet. Es scheint, dass wir in die Großstädte gezogen, und geistig dennoch in der Provinz verblieben sind. Wir sind die Fluglotsen, die der Vernichtung zur Landung verhelfen. Doch bleiben soll sie nicht, die Vernichtung, nicht bei uns, sie soll woanders hin, vielleicht zu den großen Fabriken, die es uns erlauben Mangelware zu Preisen zu erwerben, die sie nicht wert ist, wir aberdennoch kaufen, obwohl wir wissen und abscheulich finden, warum sie so billig ist. Korrumpierbar sind wir bis in die letzte Zelle unseres Gehirns.
Der Jugendliche Idealismus ist uns zwar schon abgestorben, erwachsen geworden sind wir aber dennoch nicht. Wir verharren zwischen formalem Jugendwahn und biederem jungem Erwachsenseinwollen. So bilden wir die perfekte Gattung, um einem Zeitgeist zu entsprechen, der der Zufriedenheit sowie Beständigkeit quer liegt.
Literatur: