Der Held

Herr Maske ist ein gesitteter Mann. Er ist stets pünktlich, ordentlich und lässt auch gerne anderen Leuten an der Kasse den Vortritt. Sein Bemühen nicht negativ aufzufallen ist äußerst ausgeprägt. Unaufdringlich, zurückhaltend, freundlich und zuvorkommend sind Wertbeständigkeiten, die Herrn Maske im Innersten ausmachen.

Eines Morgens saß Herr Maske wie an jedem anderen Morgen auch an seinem Tisch in der Küche und las die Zeitung. Obwohl Herr Maske keinen Job suchte, blätterte er zu den Stellenangeboten und stieß auf ein interessant klingendes Angebot. Es war kein Job im eigentlichen Sinne. Da stand:

SEIEN SIE EIN HELD! Ist Ihr Leben langweilig und trostlos? Haben Sie das Gefühl keine Aufgabe in dieser Welt zu haben? Wir können Ihnen helfen! Werden Sie ein

Held der Gesellschaft und für die Leute in Ihrem Umfeld!

Was Sie dafür tun müssen? Es ist ganz einfach: Spenden Sie eine Niere!

Sie können davon nur profitieren! Sie retten damit Menschenleben und bekommen

obendrein auch noch Geld dafür!

….

Herr Maske nahm einen Schluck von seinem Kaffee, starrte kurz an seine Wand,

schüttelte den Kopf und blätterte weiter.

„Oh, guten Morgen Herr Maske. Wie war Ihr Wochenende? Wieder nur stundenlang

alleine ferngesehen? Muss schon hart sein.“ begrü.te Herr Amhofer Herrn Maske.

Sein Arbeitskollege war ein Ekel. Und die Tatsache, dass die bissigen Bemerkungen

Herrn Amhofers von den Kollegen mit hämischen Gekicher begleitet wurden,

verschlimmerte Herrn Maskes Missbehagen.

SEIEN SIE EIN HELD!

Herr Maske schüttelte sich.

SEIEN SIE…

SIE…

HELD! Schweißgebadet wachte Herr Maske auf. Es war noch nicht wieder Tag

geworden und die Dunkelheit vergrößerte seinen Verwirrtheitszustand. Panisch griff

er nach dem Kabel seiner Nachttischlampe und suchte zitternd den Lichtschalter.

Das grelle plötzliche Licht erschreckte und beruhigte ihn gleichzeitig. Bewegungslos

suchte er seine Orientierung wieder zu finden. Der Kleiderschrank, die Bilder an der

Wand, seine Hose, über den Stuhl geworfen, das Fenster. Alles war an seinem

rechten Platz.

Der Morgen war bitter. Bitterer als sonst. Er versuchte mit mehr Zucker im Kaffee den

bitteren Geschmack seines Lebens zu betäuben.

„Spendenorganisation Zweites Leben, Frau Fäskorn am Apparat. Wie kann ich

Ihnen…“

Rums. Knall. Knack. Düt düt düt düt düt düt.

„Herr Maske, Sie haben doch sicherlich nichts dagegen wenn ich Ihnen ein paar

meiner Akten zur Bearbeitung übergebe? Wissen Sie, ich muss heute unbedingt

früher aus dem Büro. Da gibt es eine gewisse Dame, die ich heute noch sehen

werde. Und….“ Herr Maske versuchte Herrn Amhofer nicht zuzuhören. Er wollte das

in seinen Augen aufregende Leben seines Kollegen nicht kennen. Wortlos nahm er

stattdessen die oberste Akte des Stapels, der bereits auf seinem Schreibtisch lag

und nickte nur.


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